DepoNIE? Wohin mit dem AKW?

Was tun mit demjenigen Teil der Bau- und Anlagen-Substanz eines AKWs, der nach amtlichem Verständnis nicht als radioaktiv gezählt wird (circa 98 % der Gesamtmasse, überwiegend Beton und Metall)? Die Behörden fordern dafür einen Umgang nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, nämlich mit 1. Priorität "Verwerten", also Weiterverwenden oder Recyceln, und mit 2. Priorität "Beseitigen", also auf einer Deponie Lagern oder Verbrennen.

Das Problem: ein Teil dieser alleine bei Neckarwestheim I schon deutlich mehr als 300.000 Tonnen Material hat immer noch Radioaktivität. Wie groß dieser Teil ist, wie viel Radioaktivität er hat, was genau mit dem Material geschieht und wo es wieder auftauchen wird, wird nicht bekannt gegeben. Bekannt ist nur: es müssen bestimmte Radioaktivitätswerte der Strahlenschutzverordnung eingehalten werden, wobei sowohl die Messmethoden als als auch das dahinter stehende rein hypothetische Konzept umstritten sind, aber diese "Grenzwerte" liegen längst nicht bei Null und sind damit nicht gesundheitlich unbedenklich. Vor allem ist zwar das einzelne Gramm wenig radioaktiv, aber es geht ja um riesige Mengen. Bekannt ist auch, dass es circa 1,5 % des Materials sind, die gezielt auf ausgewählte Deponien kommen sollen ("eingeschränkte Freigabe"). Geschätzt wird, dass circa weitere 2,5 % des Materials ungezielt und undeklariert auf fast beliebige Deponien kommen können. Der große Rest wird in den Haus- und Straßenbau, das Metallrecycling, die Müllverbrennung usw. gehen ("uneingeschränkte Freigabe" und "Herausgabe").

Wir halten alle AKW-Abbau-Strategien für unverantwortlich, die in dieser Weise das AKW-Abrissmaterial "freigeben" und "herausgeben", also frei von Überwachung aus der Strahlenschutzkontrolle entlassen, obwohl es nicht frei von gesundheitlichen Risiken ist.

Hier eine Karte von Deponie-Standorten in der Umgebung der baden-württembergischen Atomanlagen:

Landkarte mit Deponien in der Umgebung von Neckarwestheim, Obrigheim und PhilippsburgLogo Froschgraben freigemessen - Schwieberdingen und Horrheim

 
(Initiativen vor Ort:
Bürgerinitiative "Interessengemeinschaft Deponien Froschgraben Schwieberdingen und Burghof Horrheim": www.Froschgraben-freigemessen.de.

Bürgerinitiative Buchen-Sansenhecken: BIGMÜG)

 

Darstellung und Bewertung der uns bekannten AKW-Abbau-Strategien:

"Direkter Abbau":
Strategie der EnBW für alle ihre Reaktoren. Bereits genehmigt für KWO und GKN I.
Kommentar: nicht vertretbar, da "Freigabe" und "Herausgabe" fast der ganzen AKW-Substanz, und somit Belastung der Bevölkerung und der Natur.

So genannter "Sicherer Einschluss":
Zweite in D offiziell anerkannte und bisher schon angewandte Strategie, in neuer Gesetzgebung nicht mehr vorgesehen.
Kommentar: nicht vertretbar, da letztlich doch "Freigabe" und "Herausgabe" fast der ganzen AKW-Substanz.

Alle AKW-Bestandteile "als Atommüll endlagern":
Kommentar: nicht vertretbar, da ein wirksamer Strahlenschutz klar zwischen verschiedenen Gefährdungskategorien differenzieren muss. Große Mengen gering strahlenden Materials braucht ganz andere Konzepte als kleinere Mengen stärker strahlenden Materials.
In diese Richtung geht ein Vorschlag, das gering radioaktive Material dem so genannten schwach radioaktiven Müll zuzuschlagen. Dann müsste aber mindestens zwischen schwach und mittel radioaktivem Müll getrennt werden, was bisher in D nicht vorgesehen ist.

So genannter "französischer Weg" mit Sonderdeponien (unter dauerhafter Atomaufsicht) für einen Teil des Abriss-Materials:
Kommentar: nicht vertretbar, da auch hier noch Freisetzung eines Teiles der AKW-Substanz erfolgt.

"Dauerhaft sicherer Einschluss":
Kommentar: Vorteil: keine "Freigabe", keine "Herausgabe". Aber nicht umsetzbar, da Gebäudesubstanz nicht ausreichend lange haltbar.

"Entombment":
Kommentar: Vorteil: keine "Freigabe", keine "Herausgabe". Aber nicht umsetzbar, da auch ein "Sarkophag" über dem ganzen AKW nicht ausreichend lange haltbar wäre.

"Stehenlassen nach Entkernung (nur höher belastete Komponenten entfernen)":
Keine "Freigabe", keine "Herausgabe". Die entkernten Gebäude bleiben dauerhaft unter Atomaufsicht.
Kommentar: umsetzbar. Nicht empfehlenswert im Vergleich zur folgenden Variante.

"Stehenlassen nach Entkernung (hoch-/mittel-/schwach-radioaktive Komponenten entfernen)":
Keine "Freigabe", keine "Herausgabe". Die entkernten Gebäude bleiben dauerhaft unter Atomaufsicht.
Kommentar: umsetzbar und vertretbar. Genauerer Vergleich zur folgenden Variante vorgeschlagen.

Vollständiger Rückbau mit Bau eines Müllbunkers:
Bunkerlager (dauerhaft unter Atomaufsicht) für alle gering radioaktiven Materialien, keine "Freigabe" gering radioaktiver Materialien. Keine "Herausgabe", sondern "Freigabe" der eindeutig nicht künstlich radioaktiven Materialien nach definiertem Mess- und "Freigabe"-Programm.
Kommentar: umsetzbar und vertretbar. Genauerer Vergleich zur vorherigen Variante vorgeschlagen.

 

Diese kurze Übersicht orientiert sich am Gutachten zum Verbleib von gering radioaktiven Materialien aus der Stilllegung von Atomkraftwerken von Wolfgang Neumann (intac) für die Ärztevereinigung IPPNW. Download hier

Die Atomaufsicht in Baden-Württemberg lehnt es trotz Minimierungsgebot und Rechtfertigungspflicht im Strahlenschutz ab, sich mit der Abwägung dieser alternativen Strategien zu befassen. Abteilungsleiter G. Niehaus am 1.12.2016: "Ich wüsste nicht, warum man darüber nachdenken sollte".

 

Anmerkung zum Standort Neckarwestheim: der Standort hat gravierende Probleme mit der Geologie und dem Grundwasser. Diese riskante Situation erfordert aus unserer Sicht auf jeden Fall eine verlässliche Sicherung des Untergrundes vor weiterem Grundwasserzufluss, egal was in den nächsten Jahren auf dem Gelände alles geschehen soll. Wenn diese Sicherung erfolgt, dann bestehen dort auch die Voraussetzungen für "Stehenlassen nach Entkernung" oder "Vollständiger Rückbau mit Bunker".

(Textstand: 11.2.2017)

 

Am  09.11.2016 schrieben wir mit anderen Bürgerinitiativen einen Offenen Brief an den Umweltminister: Die Verteilung von freigemessenem Müll stoppen!